Berühren bitte!

Ur- Menschlich ist das Bedürfnis, berührt zu werden, die Sehnsucht nach körperlicher Nähe.
Berührung befördert positive Emotionen, wir sind gerührt, wenn wir berührt werden, unsere Seele ist angefasst.

 

Doch körperliche Unmittelbarkeit ist auch janusgesichtig. Sie kann uns öffnen und elektrisieren, aber auch bedrohen und ekeln, verletzen oder gefallen.
Und so stecken wir fest im Dilemma. Tragen wir den Zwiespalt, unsere Ambivalenz, Nähe zu brauchen und doch in unserer Verletzbarkeit vor ungewünschter Nähe geschützt sein zu wollen, mit uns selber, am eigenen Leibe aus.

Berührungsscheu versus taktile Sehnsucht.
Nähe wünschen wir uns, aber auch nicht zu nah bitte!

 

Die moderne Leistungsgesellschaft steht zwischenmenschlichem Kontakt und körperlicher Vertraulichkeit entgegen.
Globale Mobilität, digitale Technik und Kommunikation haben soziale Folgen.

 

Individualismus und Singularität, die unsere Einzigartigkeit betonen, durchaus auch notwendig, um allen Wettbewerben flexibel gewachsen zu sein, sind vordergründig und dominant.
Unsere Libido schweift umher in der Warenwelt. Und so steuern wir auf eine Gesellschaft voller Verschlossenheit, Misstrauen und Berührungslosigkeit zu.
Angst und Stress halten uns ab und fern voneinander.

 

Dabei brauchen wir dringend den berührenden Kontakt, auch zur Vergewisserung unserer Existenz.
Berührung mindert Stress und Anspannung. Stimuliert zudem die Hirnentwicklung und stabilisiert das Immunsystem. Wer mit Berührung lebt, leidet weniger an Depressionen und hohem Blutdruck.
Und angenehmer Körperkontakt schafft Vertrauen: Taktile Reize führen bei uns zur Freisetzung großer Mengen von Oxytocin, das sogenannte „Bindungshormon“, aus der Hypophyse. Und ganz nebenbei wird auch noch das Stresshormon Cortisol gehemmt.

 

Grundsätzlich empfinden wir die Nähe anderer Menschen als Schutz und Beistand, Berührung als Akzeptanz.
Gerade auch ihr Fehlen macht die positive Bedeutung und Schutzfunktion menschlicher Nähe deutlich.

 

So sind die, die sich einsam fühlen, angespannter, ängstlicher; wirken feindselig gegenüber ihren Mitmenschen. Ein isolierter Mensch vermittelt oft denen, die ihm begegnen, unbewusst aber deutlich das Gefühl, Annäherung sei ihm unwillkommen.
Dann wird Nähe, wenn es doch zu ihr kommt, als potenziell bedrohlich erfahren.
So ist die Einsamkeit auch ein sich selbst verstärkendes Gefühl und ein Prozess.

 

Wir sehnen uns nach dem Abbau isolierender Distanz. Und schrecken aber gleichzeitig vor Nähe als Einbruchschneise von Kontrollverlust und körperlicher Versehrung zurück.

 

Denn auch die Gleichsetzung von Abstand und Sicherheit ist menschlich tief verwurzelt.
Angst vor Einsamkeit und Bedrängnis, Sehnsucht nach Nähe und nach Abstand halten sich die Waage.
Diese fatale Ausgewogenheit muss durchbrochen, die Waagschale der berührenden Nähe gesenkt werden!

 

Das braucht Hingabe und Annahme. Und die Akzeptanz, dass Berührung und Nähe auch gefährlich und verletzend sein können. Aber Berührung existenziell ist.
Und vor allem Vertrauen. In die anderen Menschen, aber in erster Linie in sich selbst.

 

Seid berührbar und berührt!